Kein Aufschwung in Sicht: «Wirtschaftsweise» senken Prognose

Konjunktur
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Berlin (dpa) - Kein Aufschwung in Sicht: Die «Wirtschaftsweisen» rechnen nach einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr auch 2025 nicht mit einem spürbaren Wachstum der deutschen Wirtschaft. Der Sachverständigenrat erwartet 2025 nur ein Mini-Plus des Bruttoinlandsprodukts von 0,4 Prozent und senkt damit seine Prognose deutlich.

In diesem Jahr dürfte das Bruttoinlandsprodukt um 0,1 Prozent schrumpfen. Die deutsche Volkswirtschaft befinde sich weiterhin in der Stagnation, sagte Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrats in Berlin. «Die anhaltende Wachstumsschwäche legt nahe, dass die deutsche Wirtschaft von konjunkturellen wie auch von strukturellen Problemen ausgebremst wird.» 

Wirtschaftsweise senken Prognose

Im Mai hatten die fünf Mitglieder des Rates noch ein Wachstum von 0,2 Prozent im Jahr 2024 und von 0,9 Prozent im Jahr 2025 erwartet. Nun heißt es im Jahresgutachten, die deutsche Wirtschaft werde sich erst im Verlauf des Jahres 2025 leicht erholen. Produktion und Wertschöpfung in der Industrie seien zurückgegangen. Investitionen seien ebenfalls rückläufig.

Die Erholung der Weltwirtschaft führe nicht im bisher üblichen Maße zu einer Steigerung der deutschen Exporte. Auch der private Konsum komme nicht in Schwung. Die Sparquote bleibe hoch. Das bedeutet: viele Haushalte legen ihr Geld lieber auf die hohe Kante, als es auszugeben.

Eine Entspannung gibt es aber nach den hohen Inflationsraten in den vergangenen Jahren bei den Verbraucherpreisen. Laut Prognose dürfte die Inflationsrate im Jahr 2024 durchschnittlich 2,2 Prozent betragen und im kommenden Jahr 2,1 Prozent.

Koalitionsbruch führt zu weiterer Unsicherheit

Die Bundesregierung hatte im Oktober ihre Konjunkturprognose gesenkt. Sie rechnet für dieses Jahr mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent. Ein Grund ist Unsicherheit bei Unternehmen und Bürgern, die sich mit Investitionen zurückhalten. Diese könnte nun nach dem Scheitern der Ampel und der Frage, wie es weitergeht, weiter steigen. Die Neuwahl des Bundestags ist im Februar geplant.

Für das kommende Jahr erwartet die Bundesregierung ein Wachstum von 1,1 Prozent. Dabei setzt sie aber auch auf eine geplante Wachstumsinitiative mit Steuererleichterungen, Arbeitsanreizen und Strompreis-Vergünstigungen. Ob dies zumindest in Teilen noch bis Jahresende umgesetzt wird, ist aber nach dem Scheitern der Regierung völlig offen. 

Offen sind auch für zusätzliche Maßnahmen zur Entlastung der Industrie. Am Freitag ist ein erneuter Industriegipfel bei Kanzler Olaf Scholz (SPD) geplant. Wirtschaftsverbände fordern seit langem grundlegende Reformen vor allem für niedrigere Energiepreise und weniger Bürokratie.

Deutschland fällt zurück

Einst war Deutschland in Europa die «Wachstumslokomotive» - das gilt aber nicht mehr. Das Bruttoinlandsprodukt sei in den vergangenen fünf Jahren real insgesamt lediglich um 0,1 Prozent gewachsen, so die «Wirtschaftsweisen». Damit bleibe die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands im internationalen Vergleich weiter zurück. In den USA liege das Bruttoinlandsprodukt bereits heute um mehr als zwölf Prozent über dem Vor-Corona-Niveau, im Euro-Raum um gut vier Prozent.

«In Deutschland gab es in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten Versäumnisse in der Politik und in der Wirtschaft. Um so wichtiger ist es, die Modernisierung unseres Landes jetzt entschlossen voranzutreiben», sagte Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Das Gremium, dessen Mitglieder auch als «Wirtschaftsweise» bezeichnet werden, berät die Bundesregierung. 

Wirtschaftsweise schlagen Reformen vor

Der Staat müsse mehr investieren in wichtige Zukunftsvorhaben, sagt der Rat. Bisher seien in Deutschland öffentliche Ausgaben für Verkehrsinfrastruktur, Bildung und Verteidigung zu gering. «In allen drei Bereichen besteht ein hoher Nachholbedarf.»

Die Folgen sind zum Beispiel bei der Verkehrsinfrastruktur: ein marodes Schienennetz mit unpünktlichen Zügen sowie marode Brücken, die gesperrt werden müssen.

Verkehrsinfrastrukturfonds 

Die «Wirtschaftsweisen» schlagen für Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur einen Verkehrsinfrastrukturfonds vor, dem dauerhaft eigene Einnahmen aus dem Kernhaushalt übertragen werden. Kontinuierliche Einnahmequellen könnten zum Beispiel die Lkw-Maut oder eine Pkw-Maut sein. Eine Pkw-Maut gibt es bisher nicht. 2019 war die geplante Pkw-Maut in Deutschland - ein Prestigeprojekt der CSU in der damaligen Bundesregierung - vom Europäischen Gerichtshof als rechtswidrig gestoppt worden, weil sie faktisch nur für ausländische Autofahrer gelten sollte. 

Auch in der Ampel-Regierung gab es Ideen für einen Infrastrukturfonds, damit Ausgaben verstetigt werden und nicht jedes Jahr neu im Haushalt verhandelt werden müssen. Die «Wirtschaftsweisen» treten auch für eine moderate Reform der Schuldenbremse ein. 

Zustimmung für einen Fonds kam von der Bahn. «Ein langfristig angelegter Fonds würde für die dringend benötigten Investitionen in die Schiene grundlegende Verbesserungen ermöglichen», sagte Tobias Heinemann, Konzernbeauftragter Gemeinwohlorientierte Infrastruktur. 

Vorschläge für Bildung und Verteidigung

Für die Verteidigung sowie für die Bildung bieten sich laut Sachverständigenrat Mindestausgabenquoten an. Um die Finanzierung der Landesverteidigung dauerhaft sicherzustellen, könnte das Zwei-Prozent-Ziel in der Nato als gesetzliche Mindestquote verankert werden -das bedeutet zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung. Im Bildungsbereich biete sich ebenfalls eine gesetzliche Fixierung einer Mindestquote der Bildungsausgaben auf Länderebene an.

Ratsmitglied Veronika Grimm allerdings gab gleich drei Minderheitsvoten ab. Sie betont darin die Bedeutung von Strukturreformen für mehr finanzielle Spielräume. Seit Monaten gibt es Streit um ein Aufsichtsratsmandat von Grimm bei Siemens Energy. Die vier anderen Mitglieder des Gremiums sehen darin mögliche Interessenkonflikte.

Risiken durch Trump

Der Kurs des designierten US-Präsidenten Donald Trump birgt Risiken: Höhere Zölle in den USA für Importe aus Europa könnten die deutschen Wachstumsaussichten weiter dämpfen, sagte Ratsmitglied Martin Werding.

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