Still ohne euch - Kunst- und Kulturmacher in der Coronakrise

Egal ob Festival, Poetry-Slam, Theaterstück oder Konzert der Lieblingsband - all das ist gerade gestrichen. Schade für uns, existenzgefährdend für eine ganze Branche. Wir haben mit den Menschen gesprochen, die normalerweise dafür sorgen, dass wir einen schönen Abend genießen können und aktuell wegen der Corona-Maßnahmen kaum arbeiten können.


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Die Kunst- und Kulturbranche liegt aktuell brach. Seit dem Lockdown im Frühjahr leiden Künstler und Künstlerinnen unter wegbrechenden Aufträgen, Großveranstaltungen dürfen nicht stattfinden. Der Lockdown Light jetzt im November hat diese schwierige Situation noch einmal zugespitzt. Tausende Menschen können ihren Jobs aktuell nicht nachgehen und ihre Existenzen sind bedroht, auch im Kreis Wesel. Das sind Musiker*innen, Schauspieler*innen, Bühnenbauer*innen, Tontechniker*innen, Veranstaltungsplaner*innen – um nur einige zu nennen. In den Sozialen Netzwerken äußern viele ihren Unmut unter den #ohnekunstundkulturwirdsstill und #alarmstuferot.

1,5 Millionen Menschen arbeiten in der Veranstaltungsbranche

Laut einer Studie im Auftrag der Interessengemeinschaft Veranstaltungswirtschaft ist die Eventbranche Deutschlands sechstgrößte Wirtschaftsbranche - mit 1,5 Millionen Mitarbeitern. Dabei geht es etwa um Messen, Geschäftskongresse, Sportevents - aber auch um Kunst- und Kulturveranstaltungen. Die Veranstaltungsbranche schlägt Alarm: Streit gab es etwa um die Bemessungsgrundlage der Überbrückungshilfe. Künstler wie Sarah Connor und Helge Schneider haben sich stark gemacht. Nach Schneiders Beschwerde hat der Bund das Konzept der Novemberhilfen überarbeitet. Grundlage für die Hilfsgelder kann bei den Soloselbstständigen jetzt wahlweise auch das durchschnittliche Monatseinkommen des gesamten Vorjahres sein - und nicht nur das Einkommen aus dem Novembers 2019. Die Landesregierung will die Branche mit dem Stärkungspakt Kunst und Kultur unterstützen: mit 185 Millionen Euro. «Es ist unser klares Ziel, die Strukturen von Kunst und Kultur in Nordrhein-Westfalen trotz der Pandemie zu stabilisieren», erklärte NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos). Theater und Orchester hätten in der Regel einen Planungsvorlauf von ein bis drei Jahren. «Sie mussten nun über Monate umsteuern und werden auchin 2021 vor großen Herausforderungen stehen.» Neben den festen Ensembles und Beschäftigten hinter den Kulissen hänge die Existenz vieler Gastkünstler etwa in Regie, Choreografie, Musik und Dramaturgie von den großen Kultureinrichtungen ab.

Wir haben mit Betroffenen aus dem Kreis Wesel über ihre aktuelle Lage gesprochen.  

Markus Grimm (41) aus Moers arbeitet als Autor und Musiker

© Markus Grimm
© Markus Grimm

Vor Corona hat Markus Grimm als Sänger und Autor das Ziel verfolgt, auf der Bühne zu arbeiten - bis zum ersten Lockdown. Auch im Sommer gab es für ihn noch kleine Lichtblicke. Inzwischen ist die Situation wieder eine andere: Seine Band trifft er gerade nur digital. Er sieht aber auch Chancen in der Corona-Krise.

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Dominik Sabolovic (26) aus Wesel arbeitet als Live-Tontechniker

© Dajo Eberlei
© Dajo Eberlei

Als freiberuflicher Live-Tontechniker ist Dominik normalerweise fest mit einigen Bands auf Touren und Festivals unterwegs. Das ist dieses Jahr natürlich nicht möglich. Er wünscht sich ein anderes Bewusstsein und mehr Rücksicht auf die Kultur- und Veranstaltungsbranche.

Irgendwie habe ich das Gefühl, in Deutschland muss man eine Fluggesellschaft sein oder ein Automobilkonzern, damit einem geholfen wird.
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Nele Messerschmidt (26) ist Sängerin und kommt aus Moers

© Nele Messerschmidt
© Nele Messerschmidt

Nele ist Frontsängerin der Moerser Symphonic-Metal-Band Elvellon. Sie möchte das auch bald hauptberuflich machen. Teilweise seien sie und ihre Bandkollegen allerdings etwas ratlos, wie sie weitermachen sollen. Sie hofft, dass es schnell weitergehen kann und sagt:

Am Ende merkt hoffentlich jeder, dass auch wir Künstler absolut systemrelevant sind.
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Matthias Guggenberger (31) ist Schauspieler bei der Burghofbühne Dinslaken

© Matthias Guggenberger
© Matthias Guggenberger

Vor der Coronakrise hat Matthias Guggenberger als freischaffender Schauspieler gearbeitet - dann ist alles weggefallen. Glücklicherweise hat er eine Festanstellung am Landestheater im Kreis Wesel in Dinslaken bekommen. Er wünscht sich, dass die Branche nicht übergangen wird - und er und seine Kollegen bald wieder spielen können.

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Stephan Liehr (38): Cutter und Veranstalter Dong Open Air, Neukirchen-Vluyn

© Stephan Liehr
© Stephan Liehr

Etwa 3500 Menschen feiern jedes Jahr auf dem Dongberg in Neukirchen-Vluyn - dieses Jahr nicht. Das Festival ist coronabedingt ausgefallen. Stephan Liehr kommt ursprünglich aus Neukirchen-Vluyn und organisiert das Metal-Festival. Er hat uns erzählt, wie er die Situation erlebt.

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Jörg Niehaus (51) aus Moers ist breit aufgestellt in der Veranstaltungsbranche

© Jörg Niehaus
© Jörg Niehaus

Eigentlich dachte Jörg Niehaus, er sei beruflich gut aufgestellt: Er vertreibt Werbeprodukte, ist Sänger in der Musikkombo Der Herrensalon und hat seit Anfang des Jahres den Kaffee-Kultbus, einen VW T2 mit einer Siebträgermaschine. Alle drei Geschäfte funktionieren im Moment nicht mehr wie gewöhnlich. Veranstaltungen sind untersagt - und Werbeartikel sind "Kontaktprodukte". Und Kontakte sollen ja gerade reduziert werden.

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Patrick Wassenberg (30) aus Neukirchen-Vluyn ist Gitarrist bei Motorjesus

Das ganze Jahr 2020 war für die Kulturbranche eine Ohrfeige!

Im Video spricht der Gitarrist Patrick Wassenberg aus Neukirchen-Vluyn über seine aktuelle Situation und die seiner hauptberuflichen Kollegen in der Kulturbranche.

Vor der Coronakrise ging es für Patrick um die Frage, ob er hauptberuflich als Musiker durchstartet, denn er spielt in zwei Bands. Er entschied sich im letzten Jahr nach dem Studium für die sichere Variante: Er arbeitet als Ingenieur beim Umweltamt - aus heutiger Perspektive ist er froh darüber. Er erinnert daran, dass auch in der Veranstaltungsbranche hohe Fixkosten anfallen.

Pascal Vogt (31) aus Moers arbeitet als Komponist, Musiker und Lehrer

© Stephan Drewianka
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Pascal Vogt hat das Glück, als Lehrer arbeiten zu können. Als Komponist kann er aktuell auch weiter kreativ sein, aber als Musiker fehlen ihm Begegnungen. Die Möglichkeiten, Musik über digitale Kanäle zu vermarkten, seien irgendwann begrenzt.

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