Die sechs Säulen der Erholung mit Leon Windscheid

Was braucht echte Erholung? Leon Windscheid erklärt hier die sechs Säulen: Von Gedankenfreiheit bis Verbundenheit - Impulse für Urlaub und Alltag, die wirklich gut tun.

© picture alliance/dpa | Henning Kaiser

Säule 1: Gedankenfreiheit

Im Urlaub möchte man die Gedanken loslassen, an gar nichts denken - das wäre fantastisch. Aber es ist verdammt schwer, das möchte ich mal dazu sagen.

Es gab vor einiger Zeit eine Studie mit über 2000 Erwachsenen. Diese wurden mehrfach am Tag per Handy zufällig gefragt: "Was machst du gerade?" und "Woran denkst du gerade?"

Das ist total interessant, weil sich gezeigt hat, dass in rund der Hälfte der Momente die Gedanken bei etwas anderem waren als bei dem, was man gerade tat – selbst bei Tätigkeiten wie Sex. (Wobei ich mich frage: Wer hat beim Sex ein Handy in der Hand? Aber gut.)

Für mich ist das eine klare Botschaft: Es passiert permanent, dass unsere Gedanken abschweifen. Wir wandern im Kopf in irgendwelche Sorgenwolken.

Deswegen: Wenn das mal im Urlaub vorkommt, macht euch keinen Stress. Es gibt keinen Lichtschalter, mit dem man das Gehirn ausschalten kann.

Säule 2: Entspannung

Einfach mal die Seele baumeln lassen, wirklich entspannen – das tut richtig gut.

Interessanterweise dachte man anfangs bei ersten Hirnscan-Studien: Wenn Leute im Hirnscanner liegen und nichts machen, schaltet das Hirn ab.

Aber das stimmt nicht. In diesen Momenten ist unser Hirn immer noch massiv aktiv. Ich stelle mir das vor wie ein Großraumbüro: Es wurde viel gearbeitet, jetzt ist endlich Ruhe – dann wird aufgeräumt, durchgewischt, Blumen gegossen, der Müll rausgebracht.

Diese Momente braucht unser Kopf, um zu sortieren, um Dinge sacken zu lassen, um zu verarbeiten, was vielleicht in der stressigen Arbeitszeit war.

Deswegen: Wenn ihr im Urlaub einfach nur auf der Liege liegt – völlig okay!

Die Niederländer haben sogar ein Wort dafür: Niksen - einfach mal nichts tun und das genießen.

Das fällt uns Deutschen schwer, aber ich würde es im Urlaub dringend empfehlen.

Säule 3: Selbstbestimmung

Die Arbeit ist bestimmt von To-do-Listen. Die Chefin kommt, reicht etwas anderes rein – alles voll mit Deadlines.

Selbstbestimmung bedeutet, dass das mal in den Hintergrund tritt: Ich kann entscheiden, was ich mache. Und das – natürlich – im Urlaub.

Das ist unglaublich schön, dass diese Möglichkeit besteht.

Aber auch hier: Bitte keinen Stress machen.

Es gibt einen schönen Cartoon:

Ein Mann denkt beim Arbeiten ans Golfen, beim Golfen an Sex und beim Sex an die Arbeit.

Dieses "von außen bestimmt sein", diese Zwänge und Gedankenwanderungen - das ist normal. Auch im Urlaub.

Säule 4: Herausforderung

Entspannung ist super - auf der Liege liegen, nichts tun. Aber zwischendurch: das kleine Abenteuer!

Etwas Neues erleben, gerade in der Liebesbeziehung mit dem Partner oder der Partnerin – das sind Momente, in denen unser Hirn wieder Knistern und Schmetterlinge in den Bauch holt. Weil wir zusammen Dopamin ausschütten.

Ich möchte mehr von diesem Neuen erleben - und dann ist es ein bisschen so, als ob man sich die Liebe zurück ins Leben holt.

Dafür ist im Urlaub natürlich Zeit.

Das muss nicht nur der Kampf um die beste Liege am Pool morgens oder das letzte Stück Kotelett am Buffet sein.

Das kann eine Wanderung sein, ein neues Gesellschaftsspiel.

Vielleicht hat man im Urlaub mal Zeit, etwas zu kochen, wofür sonst die Zeit fehlt.

Gemeinsame neue Erlebnisse schweißen zusammen. Urlaub ist perfekt dafür.

Säule 5: Sinnhaftigkeit

Das Gefühl, dass mein Leben einen Sinn hat – oh, wie schön!

Im Urlaub hat man fantastisch Zeit, mal darüber nachzudenken. Ein bisschen zu philosophieren.

Es gibt in den USA eine Firma namens Alcor Life Extension. Die haben Leute eingefroren – mit der Idee, dass sie nach dem Tod irgendwann wieder aufgetaut werden.

Ich finde das völlig absurd, total gaga.

Wenn wir wirklich unendlich lange leben könnten, würde doch jeder Urlaub irgendwann seinen Wert verlieren.

Urlaub ist gerade deswegen besonders, weil wir nicht unendlich viele davon haben.

Nur dadurch ist es eine tolle, erinnerungswürdige Zeit.

Ich finde es ganz, ganz wichtig, zwischendurch im Leben mal rauszuzoomen und die großen Fragen zu stellen – vielleicht im Frankreichurlaub unter dem Sternenhimmel in den Pyrenäen, den Cevennen oder in der Provence.

Von mir aus aber auch einfach in Castrop-Rauxel, wenn im Sommer mal ein bisschen weniger los ist.

Säule 6: Verbundenheit

Wir Menschen sind soziale Wesen.

Im Urlaub ist Zeit, um mal wieder miteinander in Ruhe zu sprechen.

Es gibt eine super spannende Studie: Pendler wurden gebeten, einfach mal fremde Menschen anzusprechen.

Das Ergebnis: Die Fahrt war viel schöner als bei denjenigen, die die ganze Zeit mit Noise Cancelling und Handy für sich blieben.

Also: Leute im Urlaub, mal losziehen, andere Menschen ansprechen!

Von mir aus im Pool – vielleicht nicht an der Massagedüse – oder abends am Buffet.

Das sind kleine Momente des Kontaktaufnehmens – und das tut unserem Kopf gut.

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