«Kein Zirkuszelt»: Merz-Aussage sorgt für Empörung
Veröffentlicht: Mittwoch, 02.07.2025 17:36

Regenbogenfahne
Berlin (dpa) - Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat mit seiner «Zirkuszelt»-Aussage über das Hissen der Regenbogenflagge auf dem Bundestag breite Kritik ausgelöst - auch in Reihen des Koalitionspartners SPD. «Das ist eine sehr unglückliche Aussage. Und der Bundeskanzler sollte diese Aussage noch mal überdenken», sagte SPD-Fraktionsvize Armand Zorn im RTL/ntv-«Frühstart». In Zeiten, in denen «queere Menschen besonders viele Anfeindungen erleben, halte ich das nicht für die richtige Aussage».
Merz hatte sich in der ARD-Talkshow «Maischberger» hinter den Kurs von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner zum Christopher Street Day (CSD) gestellt. Auf die Frage, wie er es finde, dass Klöckner die Regenbogenflagge zum CSD nicht auf dem Bundestag hissen will, sagte er: «Der Bundestag ist ja nun kein Zirkuszelt», auf das man beliebig Fahnen hisse. Es gebe einen Tag im Jahr, das sei der 17. Mai - der Tag gegen Homophobie -, an dem die Regenbogenflagge gehisst werde. Klöckner hatte zuvor entschieden, zum CSD am 26. Juli die Flagge nicht wie in Vorjahren am Parlament aufzuziehen.
Viel Kritik von queerpolitischen Stimmen
In der Union fielen die Reaktionen unterschiedlich aus. Unionsfraktionschef Jens Spahn sagte dem «Tagesspiegel», der Bundeskanzler habe völlig Recht. «Diese tagelangen Symboldebatten dagegen tragen nichts zur Freiheit und Sicherheit von Schwulen und Lesben in Deutschland bei.» Der Vorsitzende des Bundesverbands Lesben und Schwule in der Union (LSU), Sönke Siegmann, nannte die Wortwahl in der «taz» «unglücklich». Darüber werde man mit dem Kanzler persönlich sprechen, es gebe bereits einen Termin.
Die Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sophie Koch, übte Kritik. «Wenn die Regenbogenfahne die Fahne auf einem Zirkuszelt ist, was sind dann queere Menschen?», sagte die SPD-Politikerin dem Nachrichtenportal «ZDFheute.de».
SPDqueer - eine Arbeitsgemeinschaft der SPD - forderte eine Entschuldigung. «Diese Aussage ist nicht nur respektlos gegenüber der queeren Community, sondern offenbart ein rückwärtsgewandtes Verständnis von Demokratie und Repräsentation», sagte die Co-Vorsitzende Carola Ebhardt.
Die Linken-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek nannte die Wortwahl im ZDF «unangemessen». Der queerpolitische Sprecher der Linksfraktion, Maik Brückner, sagte: Es stimme zwar, dass der Bundestag kein Zirkus sei, «dafür haben wir einen Clown als Kanzler.»
Der Vorstand der Lesben- und Schwulenverband (LSVD), Andre Lehmann, kritisierte im ZDF: «Ich möchte den Bundeskanzler daran erinnern, dass er von einer Verfolgtengruppe des Nationalsozialismus spricht, die auch noch in der Bundesrepublik lange Zeit unterdrückt und kriminalisiert wurde.»