Mehr Politik als Wirtschaft: US-Rohstoffdeal mit der Ukraine

Bodenschätze in der Ukraine
© Efrem Lukatsky/AP/dpa

Krieg in der Ukraine

Kiew/Washington (dpa) - Die Ukraine räumt den USA Zugang zu wertvollen Bodenschätzen ein, um die Supermacht als Verbündeten gegen die russische Aggression zu halten. Wochenlang wurde über die Vereinbarung verhandelt und über den möglichen Ausverkauf der kriegsgeplagten Ukraine gestritten - nun ist ein Abkommen unterzeichnet. Der Weg zu einer tatsächlichen Nutzung der Rohstoffe ist jedoch noch weit. 

Was erhofft sich Kiew von dem Abkommen?

Die Ukraine will die USA trotz der Wiederannäherung zwischen Trump und Kremlchef Wladimir Putin als Verbündeten halten, auch wenn Trump eine Aufnahme der Ukraine in die Nato ausschließt. Über das Abkommen erhofft sich Kiew eine Fortsetzung US-amerikanischer Waffenlieferungen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die angeblich wertvollen Rohstoffe seines Landes gegenüber den USA schon im Herbst 2024 ins Spiel gebracht. Er appellierte an Trumps Selbstverständnis als Geschäftemacher.

Tatsächlich biss Trump an, doch zu untragbaren Konditionen. Kolportiert wurde etwa, dass die USA zwischenzeitlich forderten, dass die Ukraine milliardenschwere US-Militärhilfen seit 2022 zurückzahle.

Solche Zumutungen konnte die ukrainische Unterhändlerin Julia Swyrydenko aus dem Abkommen heraushalten. Allerdings erfüllt sich Selenskyjs Hoffnung auf Sicherheitsgarantien nicht. Doch US-Finanzminister Scott Bessent nannte das Abkommen ein klares Signal an die russische Führung, dass sich die Trump-Regierung langfristig für einen Friedensprozess einsetze. Eine «freie, souveräne und prosperierende Ukraine» liege im Interesse der USA. 

Was will Washington mit dem Vertrag erreichen?

Der US-Präsident brauchte einen Erfolg. Er ist mit seiner Ankündigung gescheitert, den seit 2022 andauernden russisch-ukrainischen Krieg binnen kurzer Zeit zu beenden. Das Abkommen bietet ihm die Gelegenheit, einen Deal zu präsentieren. Wann wirklich Investitionen getätigt werden und eventuell Dividenden aus dem noch zu schaffenden Fonds in die USA zurückfließen, scheint dabei zweitrangig.

Unbeantwortet ist bisher, woher das Geld für Investitionen stammen soll, wenn es nicht aus Steuermitteln kommt. Trump müsste Investoren attraktive Bedingungen bieten. Dazu gehört vor allem dauerhafter Frieden in der Ukraine.

Was ist über den Inhalt bekannt?

Vereinbart wurde, dass Washington und Kiew zu gleichen Teilen einen gemeinsamen Fonds schaffen, in den die Gewinne aus zukünftigen Rohstoffprojekten fließen sollen. Dabei erhalten die USA einen privilegierten Zugang zu ukrainischen Rohstoffen. Die Einlagen sollen in Geldform erfolgen, wobei auch US-amerikanische Militärhilfen verrechnet werden können. 

«Die Ukraine behält die Kontrolle über alle Ressourcen», versicherte Regierungschef Denys Schmyhal im ukrainischen Nachrichtenfernsehen. Lagerstätten oder auch Infrastrukturobjekte seien kein Gegenstand des Vertrages. Kiew werde Beiträge aus neuen Lizenzen und Einnahmen aus Förderrechten leisten. Der Fonds soll im Laufe von zehn Jahren in Projekte zum Wiederaufbau der Ukraine investieren. Die ukrainischen und die US-amerikanischen Partner werden dabei auch von Steuern und Zöllen befreit.

Vor dem Inkrafttreten ist noch die Ratifizierung des Abkommens durch das ukrainische Parlament notwendig. Dies könnte zu einem Stimmungstest unter den Abgeordneten werden.

Sind die ukrainischen Bodenschätze tatsächlich so wertvoll?

Von Aluminium bis Zink listet das Abkommen 57 Bodenschätze auf, die gemeinsam genutzt werden sollen. Dazu zählen auch Metalle der seltenen Erden, die für viele Hochtechnologieprodukte wichtig sind. Das Problem: Niemand kennt die genaue Größe der ukrainischen Vorkommen. Die Erkundungsdaten stammen oft noch aus sowjetischen Zeiten. Ein Teil der Bodenschätze liegt außerdem in russisch besetztem Gebiet.

Einige Rohstoffvorkommen in der Ukraine seien zurzeit schwer einzuschätzen, sagte der wissenschaftliche Direktor des Helmholtz-Instituts Freiberg für Ressourcentechnologie (HIF), Jens Gutzmer, dem Schweizer Sender SRF. In Bezug auf seltene Erden oder Lithium wisse man zwar, dass es dort Gesteine gebe, die anomal zusammengesetzt sind. «Man müsste (...) zunächst für fünf bis zehn Jahre erkunden - das ist meine persönliche Einschätzung - bevor man weiß, ob man eine abbauwürdige Lagerstätte hat oder nur ein Vorkommen mit ungewöhnlichen Konzentrationen», sagte er.

Zu Trumps Behauptung, dass den USA mit dem Deal womöglich Werte im Umfang von mehr als 350 Milliarden Dollar zufließen, sagt Gutzmer: «Das ist reine Spekulation aus meiner Sicht als Geowissenschaftler und steht auf keinem soliden Fundament.»

Vergrößert das Abkommen die Chance auf ein Kriegsende? 

Die politische Bedeutung der Vereinbarung dürfte größer sein als die wirtschaftliche. Mit der laufenden Diskussion über verschiedene Modelle einer Waffenruhe - 3 Tage, 30 Tage oder 3 Monate - haben die Rohstoffe nur am Rande zu tun. Doch das Abkommen zeigt, dass die USA und die Ukraine sich in einem Punkt einigen konnten - auch nach dem Eklat zwischen Trump und Selenskyj Ende Februar im Weißen Haus.

Mit Russland und Putin stehen ähnliche belastbare Verabredungen noch aus. Trump und seine Mannschaft zeigten sich zuletzt irritiert über die Moskauer Hinhaltetaktik. Der erklärte Putin-Bewunderer Trump sagte sogar, er fühle sich an der Nase herumgeführt.

Zugleich scheint in der Trump-Regierung das Verständnis für die Lage der Ukraine zu wachsen. Dazu dürfte das kurze Gespräch zwischen Trump und Selenskyj bei der Beisetzung von Papst Franziskus in Rom beigetragen haben. 

Hatte Trump anfangs Selenskyj noch vorgeworfen, einen nicht gewinnbaren Krieg zu führen, so sah sein Ukraine-Beauftragter Keith Kellogg das Land nun militärisch in einer «komfortablen Position». «Russland siegt nicht in diesem Krieg», sagte der Ex-General dem Sender Fox News. «Wenn sie siegen würden, hätten sie das in drei Jahren geschafft. Nun läuft das vierte Jahr.»

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Trump und Selenskyj
Das Verständnis in der US-Regierung für die Lage der Ukraine scheint zu wachsen. Dazu dürfte das kurze Gespräch zwischen Trump und Selenskyj bei der Beisetzung von Papst Franziskus in Rom beigetragen haben. (Archivbild)© Uncredited/Ukrainian Presidential Press Service/AP/dpa
Das Verständnis in der US-Regierung für die Lage der Ukraine scheint zu wachsen. Dazu dürfte das kurze Gespräch zwischen Trump und Selenskyj bei der Beisetzung von Papst Franziskus in Rom beigetragen haben. (Archivbild)
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